Samuel und der Garten des Neuanfangs

Samuel hatte sein ganzes Leben lang gearbeitet. Brücken gebaut, Straßen geplant, Städte verbunden – immer wusste er genau, was zu tun war. Als er in den Ruhestand ging, fühlte es sich zuerst wie ein langer, wohlverdienter Urlaub an. Doch je mehr Tage vergingen, desto mehr spürte er diese leise Frage in sich: “Und jetzt? Wofür stehe ich jetzt auf?”

 

Er vermisste nicht die Arbeit selbst. Er vermisste das Gefühl, gebraucht zu werden. Einen Sinn zu haben.

 

Eines Nachmittags saß Samuel auf seiner Terrasse, blickte auf den verwilderten Garten vor ihm und schlug gedankenverloren die Bibel auf. Sein Blick fiel auf eine Stelle, die er schon oft gelesen hatte, aber diesmal klang sie wie eine persönliche Einladung: 

 

Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vergangene. Siehe, ich will Neues schaffen; jetzt wächst es auf – erkennt ihr’s denn nicht?“ (Jesaja 43,18-19)

 

Samuel spürte einen Moment lang eine große Stille in sich. War es möglich, dass Gott gerade jetzt – in dieser leeren, unsicheren Zeit – etwas Neues in ihm wachsen lassen wollte?

 

Am nächsten Morgen nahm er eine Hacke in die Hand und trat hinaus. Der Garten war ein einziges Chaos. Überall Unkraut, vertrocknete Pflanzen, der Boden hart wie Stein.

Er blieb stehen. „Wo soll ich überhaupt anfangen?“

 

Doch dann hörte er leise in seinem Herzen:
„Fang einfach an. Einen Schritt nach dem anderen.“

 

Samuel begann. Er riss das alte Gestrüpp heraus, lockerte die Erde. Kaufte neue Samen – nicht viele, nur ein paar Tütchen Ringelblumen, Kräuter, ein wenig Gemüse.Jeden Morgen arbeitete er ein bisschen. Und jeden Tag fühlte er sich weniger verloren.

 

Mit der Zeit kamen auch andere dazu. Seine Enkel halfen ihm, ein Nachbar blieb auf einen Plausch stehen, schließlich lud Samuel ein paar ältere Freunde ein, gemeinsam Beete anzulegen.

 

Was als kleines Projekt begann, wurde ein Treffpunkt. Es war nicht mehr nur ein Garten. Es war ein lebendiger Ort, an dem Gemeinschaft wuchs – und Hoffnung.

 

Samuel verstand jetzt: Der Ruhestand bedeutete nicht das Ende seiner Berufung. Er musste nicht aufhören zu wirken – er durfte einfach anders wirken. Still, persönlich, liebevoll. Wurzeln schlagen, wo Gott ihn jetzt pflanzte.

 

Und oft, wenn er im Garten saß und die Sonne durch die Blätter fiel, dachte er an ein weiteres Bibelwort:

 

Alles hat seine Zeit. Pflanzen hat seine Zeit, und Ausreißen des Gepflanzten hat seine Zeit.“ (Prediger 3,1-2)

 

Samuel hatte das Alte losgelassen. Und genau dort, wo seine Hände die Erde berührten, spürte er:

 

Gott schenkt neues Leben.

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